Lüftungskonzepte als Standard der Planung (neue DIN 1946:T6-05/2009)

Situation

Seit Mai 2009 liegt die Norm DIN 1946 „Raumlufttechnik“, Teil 6 „Lüftung von Wohnungen;
Allgemeine Anforderungen zur Bemessung, Ausführung und Kennzeichnung, Übergabe
/ Übernahme (Abnahme) und Instandhaltung“ vor. Diese Norm ersetzt die DIN 1946-6:1998-10. Essenzielle Forderung: Eine Wohnung muss so geplant und ausgeführt werden, dass auch bei geschlossenen Fenstern keine Schimmelbildung und Feuchtigkeitsauswirkungen auftreten können. Für Neubauten und energetisch modernisierten Bestandsgebäuden ist deshalb ein nutzerunabhängiges Lüftungskonzept aufzustellen, welches als Folge ggf. auch eine Lüftungsanlage fordert.


Das Lüftungsproblem

Bauphysikalisch besteht ein Zusammenhang zwischen einerseits der Luftdichtheit des Gebäudes und andererseits des Frischluftbedarfs zur Minderung des Schimmelrisikos. Um eine Wohnung von Schimmelpilzwachstum frei zu halten und das Risiko der Bildung von Kondensat zu vermeiden, müssen fachgerechte bauliche Maßnahmen und sachgerechtes Raumnutzungsver-halten zusammenwirken. Die sachgerechte Nutzung durch die Bewohner ist immer dann gege-ben, wenn ausreichend geheizt und gelüftet wird und keine extremen Raumklimaverhältnisse vorherrschend sind. Das nutzerbedingte Verhalten ist zunehmend ein Streitgegenstand und be-trifft Neubauten und Bestandsgebäude im Besonderen.

Entscheidend für die Schadensfreiheit an den Außenbauteilen der Wohnungen ist die ausrei-chende Beheizung der Räume (Raumluft 20 °C und höher), welche eine ausreichende Oberflä-chentemperatur von mehr als 12,6 °C an jeder Stelle der Außenbauteile sicherstellt.

Durch die Anhebung der thermischen Qualität der Außenbauteile bis auf den heutigen hochwer-tigen Stand wurden die raumseitigen Oberflächentemperaturen drastisch erhöht (Oberflächentemperatur von durchschnittlich 18-19 °C, deutlich mehr als 12,6 °C). Dies führte zu einer äußert geringen Schimmelgefahr. An vorhandenen Wärmebrücken können dennoch Probleme auftreten, da sich hier die niedrigsten Oberflächentemperaturen auswirken.

Neben der Vermeidung geringer Oberflächentemperaturen ist jedoch eine wirksame Lüftung (Raumluftfeuchtigkeit in der Heizzeit 35 bis 45 % r. F., nicht über 50 % r. F.) von immenser Be-deutung. Anhaltend hohe Pegel der Raumluftfeuchte führen zu Feuchtigkeitsauswirkungen wie z. B. Verfärbungen, Stockflecken und Schimmel. Bei hochgradiger Kondensatmasse lösen sich Tapeten und organische Materialien werden angegriffen. Es besteht ein hohes Schadenspoten-zial im Zusammenhang mit zunehmend luftdichten Bauweisen.

Anforderungen an die Gebäudeluftdichtheit wurden erst mit Festlegung der Standards im Zu-sammenhang mit dem fortschreitenden Wärmeschutz und den hohen Anforderungen der Ener-gieeinsparung bei Gebäuden gestellt und Werte für die Luftdichtigkeit erstmals 1995 festgelegt (3. Wärmeschutzverordnung). Gebäude, welche davor errichtet wurden, weisen einen aus heu-tiger Sicht geringen baulichen Wärmeschutz auf. Gebäude vor 1970 weisen gerade einen aus-reichenden Wärmedurchlasswiderstand auf, um die Anforderungen der damaligen Bauzeit zu erfüllen. In der Regel weisen diese Gebäude bedeutende Luftundichtigkeit auf. Der erforderliche Luftwechsel wird deshalb bei nicht geänderten Gebäuden dieser Bauzeit (Anmerkung: bisher keine Modernisierung auf einen guten Wärmeschutzstandard, z. B. entsprechend der 3. Wärmeschutzverordnung 1995) in der Regel durch die sogenannte freie Lüftung gewährleistet. Das bedeutet die Mindestluftwechsel in der Gebäudehülle von Bestandsgebäuden erfolgen durch natürliche Infiltration bzw. Exfiltration aufgrund der bestehenden Luftdurchlässigkeiten.

Bei Fensterkonstruktionen mit wirksamen Dichtungen (umlaufende Dichtungen im Falz) ist der natürliche Luftwechsel durch freie Lüftung dagegen gering. Dies ist als Standard bei Neubauten und bei Modernisierung von Bestandsgebäuden mit dem Austausch von Fenstern gegeben. Das Schimmelrisiko steigt hierdurch, sofern der Luftaustausch nicht in ausreichendem Maß infolge der freien Lüftung ausreichend ist. Entsprechend der Nutzung muss die freie Lüftung durch aktive Fensterlüftung an den Tagesrandzeiten bzw. zum Abbau von Lastspitzen entsprechend dem Bedarf unterstützt werden. Gegebenenfalls sind unterstützende Lüftungssysteme erforderlich um die Schadensfreiheit dauerhaft zu gewährleisten.

Dabei ist unter Berücksichtigung der DIN 1946-6 (Stand Mai 2009) immer davon auszugehen, dass die Lüftung nutzerunabhängig funktionieren muss. Nach vorliegenden Planungen und Be-rechnungen ist die freie Lüftung bei Einfamilienwohnhäusern oftmals ausreichend, jedoch die dauerhafte Wirkung stark von Witterungsbedingungen abhängig, welche die natürliche Infiltration maßgeblich beeinflussen. Bei Mehrfamilienwohnhäusern müssen fast immer lüftungstechnische Maßnahmen berücksichtigt werden, um die Anforderungen zu erfüllen und die Schadensfreiheit zu gewährleisten.

Rechtliche Risiken

Wird bei Neubau und energetischer Modernisierung von Bestandsgebäuden auf eine kontrollierte Lüftungsanlage verzichtet, besteht die Gefahr von Planungsfehlern. Die Energieeinsparver-ordnung (EnEV) und die DIN 4108 „Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden“, Teil 2 „Mindestanforderungen an den Wärmeschutz“, Stand Juli 2003, fordern:
 Die Gebäudehülle muss dauerhaft luftundurchlässig abgedichtet sein.
 Ein ausreichender Luftwechsel muss gewährleistet sein, um zu hohe Kohlendioxidbelastungen, Luftfeuchte, Schimmelbildung und zu hohe Schadstoffkonzentrationen zu vermeiden.
 Ein ausreichender Luftwechsel entsprechend DIN 4108-2 wird erreicht, wenn alle zwei Stunden die Luft einmal ganz ausgetauscht wird (Luftwechsel n = 0,5 h-1).
 Die anzunehmende Luftwechselrate über Gebäudeundichtheiten bei entsprechend DIN 4108-2 bzw. EnEV geplanten und ausgeführten Gebäuden liegt zwischen n = 0,3 h-1 und 0,1 h-1, dies bedeutet einen vollständigen Luftaustausch nach mehr als drei bzw. zehn Stunden.

Bei einem üblichen Wohnverhalten mit normalen Raumklimaverhältnissen muss die Wohnung so beschaffen sein, dass die erforderliche Raumluftqualität ohne zusätzliche nutzerunterstüt-zende Lüftungsmaßnahmen gewährleistet ist. Die empfohlene Minimalanforderung zur Raum-hygiene die Lüftung auf Grundlage der freien Lüftung mit zusätzlich aktiven Stoßlüftungen durch das weit geöffnete Fenster für ca. 10 Minuten, mehrmals am Tag und bei Abwesenheit der Bewohner über den Tag an den Tagesrandzeiten (morgens, nachmittags und abends), steht zunehmend im Fokus von Debatten und gerichtlichen Auseinandersetzungen. Lässt sich der erforderliche Luftwechsel nur durch nutzerabhängige aktive Lüftungsmaßnahmen erreichen, die von den Beschaffenheitsvereinbarungen abweichen können, liegt in diesem Fall ein Werkmangel und ein Planungsfehler vor. Der Planer wird hierfür in die Haftung genommen.


Lösung des Problems durch Planung lüftungstechnischer Maßnahmen

Reicht die natürliche Luftzu- und Abfuhr über Infiltration bzw. Exfiltration durch vorhandene Ge-bäudeundichtheiten nicht aus, um den Feuchteschutz sicherzustellen, muss der Planer lüftungs-technische Maßnahmen vorgeben und ein Lüftungskonzept entsprechend DIN 1946-6 (Stand Mai 2009) aufstellen. Die Lüftung der Räume von Wohnungen/Nutzungseinheiten kann über die freie Lüftung oder mit ventilatorgestützten Systemen nachgewiesen werden. Das Lüftungskonzept umfasst die Feststellung des Erfordernisses von lüftungstechnischen Maßnahmen und die Auswahl des Lüftungssystems. Mögliche Lüftungsarten:

freie Lüftung:
 Querlüftung (Feuchteschutz)
 Querlüftung
 zusätzliche Schachtlüftung in den Bädern und innenliegenden Räumen
Ventilator gestütze Lüftungen dezentraler Lüftungsanlagen:
 Fensterlüftungen z. B. im Rahmen oder im Falz
 in der Außenhülle angeordnete Ventile, sogenannten Außenwanddurchlässe
 Abluftsysteme, Zuluftsysteme und Zu-/Abluftsysteme, mit und ohne Wärmerückgewinnung


Anwendung der neuen Norm DIN 1946-6 (Stand Mai 2009)

Zwingende Änderungen durch die neue Norm DIN 1946 „Raumlufttechnik“ Teil 6 „Lüftung von Wohnungen“ (Stand Mai 2009) ist die Aufstellung des Lüftungskonzeptes für Neubauten und energetisch modernisierten Bestandsgebäuden. Kern der Norm ist die Vorgabe von vier Lüf-tungsstufen unterschiedlicher Intensität.
 Die Lüftung zum Feuchteschutz, welche nutzerunabhängig zum Schutz der Gebäudesub-stanz unter üblichen Nutzerbedingungen bei teilweise reduzierten Feuchtelasten sicher-zustellen ist, um Schimmelbildung und Feuchtigkeitsauswirkungen zu vermeiden. Die Lüf-tung zum Feuchteschutz wird für zwei Qualitätsstandards des Wärmeschutzes vorgege-ben.
 Die reduzierte Lüftung zur Gewährleistung der üblichen hygienischen Mindestanforderun-gen an die Raumluftqualität. Auch dieser Standard ist bei Abwesenheit der Bewoh-ner / Nutzer einzuhalten.
 Die Nennlüftung, welche den Standardfall der notwendigen Lüftung zur Sicherstellung der hygienischen Anforderungen sowie des Bautenschutzes bei Abwesenheit der Bewoh-ner / Nutzer darstellt.
 Die Intensivlüftung, welche zeitlich begrenzt bei Bedarf zum Abbau von Lastspitzen ein-gesetzt wird.

Das Lüftungskonzept kann von Planern von Gebäuden und Fachplanern der technischen Ge-bäudeausrüstung erstellt werden. Mit Berechnung wird überprüft, ob die nutzerunabhängige freie Lüftung (Außenluftvolumenströme) ausreichend ist oder ob entsprechend DIN 1946-6 (Stand Mai 2009) zusätzliche bauliche lüftungstechnische Maßnahmen erforderlich sind.


Zusammenfassung und Ausblick

Luftdichte Gebäudehüllen können Ursache für Feuchtigkeitsauswirkungen und Schimmel sein. Die neue DIN 1946-6, Stand Mai 2009, verlangt in der Planung die Aufstellung eines schlüssigen Lüftungskonzeptes. In der Konsequenz muss sich jeder Planer damit auseinandersetzten, wie er das neue Gebäude bzw. den zu modernisierenden Gebäudebestand ausreichend belüften will und Maßnahmen dafür angeben.


Derzeit zeichnet sich ab, dass kontrollierte Lüftungsanlagen im Zusammenhang zwischen luft-dichter Gebäudehülle und Raumklima zukünftig an Bedeutung gewinnen und als notwendig be-urteilt werden. Es ist zu erwarten, dass kontrollierte Lüftungsanlagen zukünftig zu den a. R. d. T. werden und somit grundsätzlich zu planen sind. Die am Bau Beteiligten müssen sich deshalb rechtzeitig darauf einstellen und entsprechend planen.

Stand:
02/10