Risse in Gebäuden
1. Risse an Deckenunterseiten
Häufig haben Geschossdecken einen zweischichtigen Aufbau: auf Stahlbetonfertigteile (Elementplatten, auch als Filigranplatten bezeichnet) wird auf der Baustelle Aufbeton aufgebracht. Die Elementplatten werden in Fertigteilwerken hergestellt und bestehen aus hochverdichtetem und vergleichsweise sehr festem Beton.
Verschiedentlich kommt es vor, dass diese Platten leichte Transportschäden aufweisen. Dabei handelt es sich entweder um Bruchrisse oder um Abplatzungen. Diese Schäden entstehen recht schnell, weil die Fertigteile aufgrund ihrer Festigkeit und ihrer Form relativ spröde sind. Die Klaffungen der Risse liegen allgemein im Haarrissbereich (0,1 bis 0,4 mm). Da die Fertigteile oben herausstehende Bewehrung haben und durch zusätzlich eingelegte Bewehrung schlüssig mit dem Aufbeton verbunden sind, sind diese Risse weder aus konstruktiver noch tragwerksplanerischer Sicht von Bedeutung. Die Standsicherheit der Decken wird dadurch nicht beeinträchtigt.
Diese Risse können im Zuge der üblichen Putz- oder Spachtelarbeiten problemlos überdeckt werden. Ein weiteres Aufklaffen der Risse ist nicht zu erwarten, da sie von der Bewehrungseinlage im Aufbeton sicher zusammengehalten werden.
Bei den kleinen Löchern an den Deckenunterseiten handelt es sich um sog. Betonporen, die durch eingeschlossene Luftbläschen an der Schalseite der Elementplatten entstehen können. Diese Poren haben ebenfalls keinen Einfluss auf die Beschaffenheit der Stahlbetonfertigteile und können im Zuge der weiteren Arbeiten (ggf. durch Putz oder Spachtel) verschlossen werden.
Risse oder Betonporen an den Untersichten von Kellerdecken sind nicht von Relevanz, da es bei Kellern um Räume von untergeordneter Zweckbestimmung handelt an die geringere ästhetische Anforderungen gestellt werden.
2. Risse in Kalksandsteinwänden sowie in Anschlüssen solcher Wände an andere Wände
Entstehung von Rissen
Ein homogener, reibungsfrei gelagerter Körper, der einer gleichmäßigen Dehnung unterworfen ist, kann sich völlig spannungsfrei verformen. In der Praxis wird sich ein Bauteil nicht behinderungsfrei verformen können, weil es mit Nachbarbauteilen verbunden ist. Verformen sich benachbarte und verbundene Bauteile unterschiedlich, dann entstehen Spannungen.
Wenn die Verformungen durch äußere Kräfte erzeugt oder behindert werden, wird die dadurch verursachte Spannung als Zwangsspannung bezeichnet. Spannungen in einem Bauteil können jedoch auch ohne Einwirkung äußerer Kräfte entstehen, z.B. wenn sich das Bauteil unterschiedlich erwärmt, oder wenn es ungleichmäßig austrocknet.
Risse entstehen dann, wenn die Spannungen die entsprechende Festigkeit überschreitet bzw. die vorhandene Dehnung größer als die Bruchdehnung wird.
Formänderungen von Mauerwerk aus Kalksandsteinen
Feuchtedehnung
Volumen- bzw. Längenänderung infolge Feuchtigkeitsabgabe bzw. -aufnahme wird als Schwinden bzw. Quellen bezeichnet. Schwinden und Quellen sind physikalische Vorgänge und bei Kalksandsteinen nahezu vollständig reversierbar. Schwinden ist für die Bildung von Rissen bedeutungsvoller, weil es im Allgemeinen mit rissgefährlicheren Zugspannungen verbunden ist. Nachfolgende Tabelle zeigt die Endschwindwerte εS∞ in mm/m für Kalksandsteinmauerwerk:
Stein Lagerung Rechenwert Wertebereich Mittelwert
KS, KS L,
DIN 106 herstellerfeucht -0,2 -0,01 … -0,29 -0,16
wasservorgelagert -0,13 … -0,42 -0,26
Das Schwinden ist bei annähernd konstantem Schwindklima nach etwa 3 Jahren weit gehend beendet.
Wärmedehnung
Maßänderungen durch Wärmeeinwirkung bzw. Temperaturänderung wird als Wärmedehnung bezeichnet. Sie errechnen sich mit der Formel εT = ΔT ∙ αT. Der Wärmedehnungskoeffizient für Kalksandsteinmauerwerk wird in der Literatur angegeben mit αT = 8 ∙ 10-6/K.
Elastische Dehnung
Die elastische Dehnung auf Grund kurzzeitiger Lasteinwirkung spielt der Untersuchung der Herkunft von Rissen nur eine untergeordnete Rolle und wird hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Kriechen
Die Formänderung (Verkürzung in Lastrichtung) durch langzeitige Lasteinwirkung wird als Kriechen bezeichnet. Das Kriechen ist überwiegend irreversibel. Wesentliche Einflüsse auf den zeitlichen Verlauf sind der Anfangsfeuchtegehalt der Steine, der Mörtel bzw. Steinanteil und das Belastungsalter. Bei konstanten Klimabedingungen und konstanter Belastung ist das Kriechen nach etwa 3 Jahren beendet.
Risse in Mauerwerk aus großformatigen Kalksandsteinen
Wichtig bei der Entstehung von Rissen im KS-Mauerwerk sind Feuchtedehnung und Kriechen. Die elastische Dehnung spielt eine untergeordnete Rolle. Eine dazu notwendige „kurzzeitige Lasteinwirkung“ gibt es bei Gebäuden in der Regel nicht.
Wärmedehnung kann nur bei Temperaturunterschieden auftreten. Der Wärmeschutz moderner Gebäude lässt diese aber nicht mehr zu und die meisten Gebäude werden mit nahezu konstanter Temperatur genutzt.
Feuchtedehnung ist ein Phänomen, dem jedes KS-Mauerwerk ausgesetzt ist. Die Steine haben eine produktionsbedingte, natürliche Anfangsfeuchte. Abhängig von der Lagerung vor der Vermauerung können die unteren Steine in einem Stapel aus Pfützen Wasser ziehen und „wassergesättigt“ sein. Auch vermauerte Wände können über Ihren Fuß- oder Kopfpunkt Wasser aufnehmen. Starke Niederschläge während der Bauzeit können ebenfalls den Wassergehalt von Steinen und ganzen Wänden beeinflussen.
Trocknet die Wand nach Fertigstellung des Bauwerks mit der Zeit aus, verliert sie an Volumen. Während die Höhenänderung von Wänden meist schadfrei aufgenommen werden kann (Ausnahme: Mischmauerwerk) können die Längenänderungen zu Rissen führen. Wände werden meist am Kopf und am Fuß durch andere Bauteile (z.B. Betondecken) festgehalten und am Schrumpfen gehindert. Die dadurch entstehenden inneren Zugspannungen (die über die Wandhöhe variieren) können zu Rissen führen.
Bei einem Mauerwerk aus kleinformatigen Kalksandsteinen kann sich diese Längenänderung auf viele Fugen und Stöße verteilen, so dass der einzelne Riss nicht mehr wahrnehmbar ist. Breite Horizontalfugen mit elastischem Mörtel beeinflussen zudem diese Verteilung positiv.
Mauerwerk aus großformatigen Steinen (z.B. KSPE) hat zunächst rechnerisch die gleichen Materialbedingungen und die gleichen Schrumpferscheinungen wie das aus kleinformatigen Steinen. Problematisch ist, dass sich die zu Rissen führende Spannung nicht mehr verteilen kann. Die starre Verklebung mit Dünnbettmörtel führt dazu, dass sich eine solche Wand wie ein riesiger monolithischer Stein verhält.
Der Riss erscheint konzentriert an einer oder an weinigen Schwachstellen (z.B. an Ecken von Fenster- oder Türöffnungen) innerhalb der Wand. Bei Mauerwerk aus großformatigen Steinen ist deshalb ein erhöhter Planungsaufwand notwendig.
Die KS-Industrie empfiehlt grundsätzlich, auch bei kleinformatigem Mauerwerk, die Wandlängen zu begrenzen. Abhängig von Wanddicke, Wandhöhe und Halterung sind maximal 12 m möglich. Bei längeren Wänden müssen trennende Bauteile (z.B. Stahlbetonstützen) oder Dehnungsfugen angeordnet werden.
Kriechen ist ein weiterer wichtiger Grund für Risse in Mauerwerk. Kriechen bezeichnet die Formänderung von Mauerwerk unter Lasteinwirkung. Lokale Lasteinwirkungen führen zu unterschiedlichen Druck- aber auch Zugspannungen im Mauerwerk. Zugspannungen führen zu Rissen.
Wie schon bei der Feuchtedehnung wird die Gefahr einer Rissbildung durch Kriechen bei großformatigem Mauerwerk größer als bei kleinformatigem. Der Grund ist derselbe: der entstehende Riss kann sich nicht verteilen und tritt konzentriert in der monolithisch wirkenden Mauerwerksscheibe auf. Auch hier muss ein erhöhter Planungsaufwand betrieben werden.
Zusätzliche statische Nachweise und Durchbiegungskontrollen müssen durchgeführt werden; der Architekt hat planerisch Rücksicht auf die besonderen Belange von großformatigem Mauerwerk zu nehmen.
Bei „traditioneller Bauweise“ werden Wände verputzt und mit Tapete bedeckt. Dieser Wandaufbau hat die Funktion, Unebenheiten des Rohmauerwerks auszugleichen und eventuell auftretende Schwindrisse weitestgehend zu überdecken. Tapete, insbesondere Raufasertapete, besitzt im Gegensatz zu Mauerwerk und Putz eine nennenswerte Zugfestigkeit/Dehnbarkeit, die sie in die Lage versetzt, die oben beschriebenen Längenkürzungen aufzunehmen und die Risse, die trotzdem im Mauerwerk entstanden wären, zu überdecken.
In jüngerer Zeit werden häufig günstige Konstruktionen gewählt, bei der die Rohwände nur gespachtelt und angestrichen werden. Diese Art der Wandbedeckung hat jedoch gar keine Zugfestigkeit, um Schwindspannungen des Untergrunds aufzunehmen. Der Verzicht auf die Tapete oder Malervlies führt zum verstärkten Auftreten von Schwindrissen.
3. Rissbildungen in Wänden und an Übergängen zu Decken
Weiterhin können auf Grund der unter 2. beschriebenen Deformationen Risse in der Gipskartonbekleidung des Dachs selbst entstehen. Die Dachbalken verformen sich (durch Austrocknung des Holzes und Lasteintragungen) mehr, als Gipskartonbekleidungen kompensieren können. Sie neigen bereits bei geringen Verformungen zu Rissen. Abrisse in den Anschlussfugen verdeutlichen dies eindrucksvoll.
4. Zusammenfassung
Wandflächen haben oft keinen Behang; gemeint ist, sie sind nicht tapeziert. Häufig haben sie nur Anstriche, die jedoch keine rissüberbrückenden Eigenschaften aufweisen.
In Baubeschreibungen wird häufig ausgewiesen, dass Wände tapezierfähig seien. Würden die Wandflächen einen Behang mit geeigneter Tapete oder Vlies erhalten, dann wären feine Risse selten oder nicht sichtbar und es gäbe kaum Gründe für Beanstandungen.
Wandrisse sind in den meisten Fällen auf die Neubaurestfeuchtigkeit von Kalksandsteinen oder Gipswandbauplatten zurückzuführen. Wenn das Rissbild jedoch nur vereinzelt auftritt und die Rissweiten sehr gering sind (im Innenbereich bis zu 0,4 mm), handelt es sich um hinzunehmende Unregelmäßigkeit anzusehen, da die Risse die technischen und optischen Eigenschaften nicht nennenswert beeinträchtigen und im Zuge turnusmäßiger Schönheitsreparaturen ohne nennenswerten Mehraufwand durch einen Maler dauerhaft beseitigt werden können.
Stand: 01/09